Geschichte wird von Menschen gemacht, hiess es lange. Heute werden Tiere zunehmends als historische Akteure betrachtet. Zum Beispiel auch unser Patentier Rosa. Von Tobias Sennhauser (TIF).
Text: Tier im Fokus (TIF)
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In letzter Sekunde gelang Rosa die Flucht. Sie entwischte dem Schlachter – und damit ihrem Schicksal als sogenanntes Nutztier. Heute lebt sie im Emmental, fernab von menschlichen Nutzungsansprüchen.
Rosa ist ein Spross einer jahrtausende alten Tradition: die Domestikation von Rindern. Ursprünglich wurden Rinder als Viernutzungsrassen für Fleisch, Milch, Arbeitskraft und Wärme gebraucht. Für die Menschheitsgeschichte war das Rind zentral.
Die Sicht der Tiere
Und umgekehrt? „Das Tier bleibt etwas Lächerliches, etwas sprichwörtlich Parasitäres, das nicht in die Bastion menschlicher Geschichte einzudringen, geschweige denn einen eigenständigen historischen Platz, der parallel zur menschlichen Geschichte existiert, einzunehmen habe“, schreibt Historikerin Mieke Roscher in einem Aufsatz im Sammelband Human-Animal Studies.
Roscher betrachtet das Tier als historisches Subjekt, das seine Umwelt mitgestaltet. „Wie hätte sich beispielsweise die Landwirtschaft ohne Tiere entwickelt, wie wären Städte gebaut, wie Kriege geführt worden und wie hätten sich die schönen Künste entwickelt ohne das reelle Tier?“, fragt Roscher.
Derzeit würden Tiere oft nur aus anthropozentrischer Sicht gewürdigt. Sie dienen zur Ausschmückung unserer Geschichte. Für Roscher wird das Tier damit zum reinen Wissensobjekt.
Auf historischer Fährtensuche
Um Tiere als historische Subjekte zu verstehen, ändert Roscher die Perspektive. Roscher ist damit nicht allein. Manche reden gar vom animal turn: eine Haltung in der Forschung, die Tiere nicht länger als passive Objekte, sondern als handelnde Subjekte betrachtet.
Kritik an der offiziellen Geschichtsschreibung ist nichts Neues. Sie richtet sich etwa gegen die sogenannte Siegerhistoriografie, die stets die Perspektive der Sieger einnimmt. Deshalb sind die Geschichtsbücher voll von weissen Männern aus Europa.
„Es gilt also, Quellen zu finden, die es zulassen, das Leben der Tiere aus historischer Perspektive zu interpretieren“, erklärt die Historikerin. Deren Suche gestaltet sich im Tierreich jedoch schwierig. Denn Tiere hinterlassen keine Schriften und man kann Zeitgenossen auch nicht zu ihren Vorfahren befragen.
Neben Bildern, Fotografien oder Skulpturen, so Roscher, kommen als Quellen auch Zuchtbücher, Frachtpapiere oder Veterinärsunterlagen in Frage. Auch die Archäologie könne Hinweise liefern. All das ermöglicht HistorikerInnen, sich in ihre Subjekte hineinzuversetzen und das einzelne Tier in den Fokus zu nehmen.
Exemplare, keine Individuen
Roscher erinnert daran, dass Quellen im Kontext gelesen werden müssen. Für die Tiere heisst das schon lange: Warenstatus. „Tiere werden nicht als Individuen wahrgenommen, sondern als auswechselbare Objekte“, so Roscher. Das mache die Historisierung von Tieren in der Gesellschaft schwierig.
Ein anderer Ansatz in der Geschichtsforschung betrachtet Tiere als Akteure. Das würde sich etwa in unorganisierten Widerstandsformen wie Arbeitsverweigerung, Zerstörung, Flucht und laute Beschwerde zeigen. Andere TheoretikerInnen, weiss Roscher, betrachten Tiere „als Partizipanten der Produktionsverhältnisse […], deren Arbeit historische Veränderungen bewirkte“.
Rosa wehrte sich
Rosa „arbeitet“ heute nicht mehr für die Fleischindustrie. Sie hat sich der Herrschaft des Menschen erfolgreich widersetzt. Ihr Widerstand vor der Schlachtbank bestand in der Arbeitsverweigerung und in der Flucht. Sie wollte nicht getötet werden.
Rosa ist eine Akteurin, die ihr Leben nach Möglichkeit selbst gestaltet. Auf der Weide im Emmental ist es ihr wohl. Dort schreibt Rosa Geschichte.
Jeweils am 1. November ist Weltvegantag. Er erinnert an die Millionen von Tieren, die jährlich in Schlachthäusern enden. Individuen wie Rosa markieren einen Wendepunkt: Tiere sind nicht für uns da. Du kannst mithelfen, dass Rosas Geschichte weitergeht. Übernimm jetzt eine Patenschaft.
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