Besuch auf der Sommerweide
Nach dem Umzug im April ist für unsere Patentiere immer noch vieles neu: der geräumige Offenstall, die Sommerweide, die benachbarten Pferde und natürlich Tisane, die nun endlich zur Herde gestossen ist. Ein Besuch von Gabrielle Christen und Martina Späni (tif) im bernischen Emmental…
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Der Sommer ist auch ins Emmental eingezogen, es ist heiss an diesem Nachmittag. Wir spazieren der neuen Sommerweide entgegen und sind gespannt: Ob alles in Ordnung ist? Von Ferne sehen wir sie alle, die vier Ochsen und die Kuh. Sie liegen beisammen im Schatten eines Baumes, sind gut genährt, das Fell glänzt, die Stimmung ist ruhig und friedlich.
Individuen in einem sozialen Verband
Die fünf Lebewesen unterschiedlichster Herkunft – Schicksalsgenossen in einer von Menschen dominierten Welt – verhalten sich wie eine Herde, sie sind ein sozialer Verband, der Spielregeln, Solidarität, Gefolgschaft und individuelle Eigenbrötelei und Widerstand kennt.
Nach wie vor ist es der stattliche Odysseus, der voranschreitet und die Herde anführt, dahinter stets der gleichaltrige Minotaurus. Tisane, die Dame, wird zeitweilig innigst umschwärmt. Sie ist mittlerweile stolze 18 Jahre alt. Der jüngere Tamay und, in dessen Gefolge, Baybora gehen immer wieder eigene Wege, wie sich schon beim Umzug der Patentiere Ende April 2010 herausstellte. Oder eben neulich wieder, als es galt, von der in unmittelbarer Nähe des Laufstalls gelegenen Weide zur grossen Sommerweide zu wandern.
Von der Unwirtlichkeit der Teerstrasse
Die Sommerweide bietet frisches Gras, Büsche und Bäume und auch Höhen, auf die es sich hinaufsteigen lässt, um etwa die Welt von oben zu beschauen oder nach unentdeckten Futterplätzen zu suchen. Gute Aussichten also für Wiederkäuer.
Sie wurden jedoch durch eine Teerstrasse getrübt, die es zu überqueren gilt, um zur neuen Weide zu gelangen. Auf das schwarze Band mit weissen Streifen reagierte zunächst Tamay, dann aber auch Baybora irritiert. Der Grund mochte in der Unvertrautheit mit der Materie Teer zu suchen sein, lebten doch die Tiere vor ihrem Umzug lange Zeit auf einer Ganzjahresweide und mussten demnach nie eine geteerte Strasse überqueren.
Und so kam es, dass sich Tamay und Baybora im letzten Moment entschlossen, nicht etwa ihre Hufe auf die bedrohliche Strasse zu setzen, nein! Mit einer pirouetten-ähnlichen Drehung machten sie auf dem Hufabsatz kehrt, um sich dann mit einem äusserst eleganten Sprung über den provisorisch errichteten Zaun in die angrenzende Pferdeweide zu retten. Die Pferde staunten nicht schlecht über die gehörnten Besucher, blieben aber ruhig stehen, da sie Tamay und Baybora vom Sehen her bereits bestens kannten.
Zurück zum Ausgangspunkt und wieder voran
So wurde denn die Wanderung der fünf Tiere vor dem scheinbar unüberwindlichen Band Teerstrasse abgebrochen und die VierbeinerInnen wurden wieder zurück auf die ihnen vertraute Weide geleitet. Einige Tage später und mit viel Durchhaltevermögen glückte beim zweiten Anlauf schliesslich die Übersiedlung auf die Sommerweide!
Die wachsende Nähe der Tiere zu ihren BetreuerInnen am neuen Ort ist sehr wichtig und das im Entstehen begriffene Vertrauen gilt es zu vertiefen. Erst so können immer noch vorhandene Ängste überwunden, Strassen leichten Hufes überquert und neue Weidegründe zuversichtlich erschlossen werden.
Der Umzug Ende April 2010 bedeutet für die älter werdenden Tiere zusätzlichen Komfort. Möglich wurde das durch unsere Patinnen und Paten. Herzlichen Dank für die Unterstützung!
Noch sind aber nicht alle Unterbringungskosten gedeckt. Wenn auch Sie an einem Projekt teilhaben wollen, das Raum schafft für einen ganzen, natürlichen Lebenszyklus ehemaliger Nutztiere, dann informieren Sie sich hier über eine Patenschaft.
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