Tisane sur les pâturages
Sie geben einigermassen Milch plus massenhaft Fleisch, sind robust, leicht zu handhaben und wollen am liebsten immer an die frische Luft, heisst es. Und dann landen sie auf dem Teller, die begehrten Charolais. Aber es geht auch anders. Ein Bericht von Klaus Petrus (tif) über unsere Patenkuh Tisane.
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Es gibt da eine Metzgerei in unserem Quartier, die auf Charolais spezialisiert ist. Das Fleisch in der Auslage stammt zwar nicht aus der Region Charolles selbst, aber doch aus Frankreich, was werbewirksam in Szene gesetzt wird: Mit einem Plakat vor der Eingangstür zum Beispiel, wo ein Koloss von einem Rind zu sehen ist und was von ihm auf dem Teller übrigbleibt. Le Charolais dans l’assiette.
Die „Rasse mit den vielen Möglichkeiten“
Inzwischen gibt es fast überall von diesen Tieren. So etwa auf einem Hof ausserhalb der Stadt, keine 10 Kilometer von dieser Metzg entfernt und erst noch voll „bio“.
Auch dieser Bauer schwärmt von der Rasse: Ruhige, anpassungsfähige Exemplare mit breiten, dicken Lenden und Muskeln bis zum Abwinken seien das. Und dann diese „Zuwachsleistungen“, wie es im Jargon heisst: Charolais sind hervorragende Grundfutterverwerter, sie legen pro Tag bis zu 1.300 Gramm zu, die männlichen Rinder kommen so in nur 14 Monaten auf 600 Kilo. Das geht dann unter „optimale Ausschlachtung“.
Auch die Kühe werden gerühmt: Viel Tiefe haben sie und ein grosses Becken. Und verfügen damit, obgleich spätreif, über exzellente „maternale Eigenschaften“. Übrigens sei die Sache mit den Schwergeburten bei Charolais-Kühen ein hartnäckiges, aber definitiv haltloses Gerücht.
Wenn die Mutter mit dem Kinde
Ein ganz und gar zukunftsträchtiges Vieh also: Gibt einigermassen Milch plus massenhaft Fleisch, ist robust, im Alltag leicht zu handhaben und möchte am liebsten immer an die frische Luft. Was auch arbeitstechnisch am einfachsten ist, vorausgesetzt, man hat für diese Mächtigen Weiden, die sie – wortwörtlich – tragen können.
Auch für die Werbung sind sie ideal, die schönen Weissen, denn unter den Charolais bleiben die Jungen bei den Kühen. Wahrlich ein Kontrapunkt zur perversen Milchproduktion, wo sie ihren Müttern schon kurz nach der Geburt entrissen und einzeln in diese „Kälber-Iglus“ gesperrt werden. Dem idyllischen Bild von der Kuh und ihrem Kalb beisammen auf der Weide hat sich vor Jahren auch Aldi bedient. Dummerweise hat der Discounter nur Kalbsfleisch von Tieren aus der Milchproduktion vertrieben. Die Kühe in der sogenannten Mutterkuhhaltung sind aber nicht für die Milchproduktion bestimmt, sie sollen am Laufmeter Kälber gebären, die auf frühreife Muskulatur gezüchtet werden. Auch Charolais gehören zu diesem „Typ Produktion“ und sind vor allem auf Fleischigkeit getestet.
Tisane auf der Weide
Bei all dem denke ich, unweigerlich, an Tisane, unsere Patenkuh. Auch sie ist eine Charolais, eine der crèmefarbenen, „grossrahmigen“ Rinder aus Frankreich, wie es in ihrem Zuchtausweis aus vergangenen Tagen heisst.
Tisane ist schon lange nicht mehr „bewertbar“. Nachdem sie zig-mal geschwängert wurde und nebenher noch ein Adoptivkalb namens Pandoro heranzog, wollte sie einfach nicht mehr „aufnehmen“. Und sollte schnurstracks zum Schlachter. Eine Gruppe engagierter Leute wusste das zu verhindern und wandte sich an unseren Verein. Seither kümmern wir uns, mit der Unterstützung unserer Patinnen und Paten, um den Unterhalt von Tisane. Im Frühjahr 2010 konnten wir sie endlich in unsere Herde aufnehmen, sie wurde mit einem Mal integriert und mächtig umschwärmt.
Übrigens trägt die Dame laut Zuchtausweis die Nummer CH 900.0009 plus andere Zahlen. Was eine Frechheit ist, eine Unverschämtheit. Aber egal, für uns ist sie Tisane. Eine Schönheit von 18 Jahren und weit weg von diesem grausamen, wiederkehrenden Zyklus aus Besamung und Belegung. Welch ein Glück. Tisane, mit Odi und den anderen auf der Weide. Tisane sur les pâturages.
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