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Mensch & Tier

Jedem Tierschutzgesetz seinen Anwalt

Am 7. März 2010 stimmt die Schweiz über die Einführung von Tierschutzanwälten ab. Bundesrat und Parlament sind dagegen: Die eidgenössische Volksinitiative sei "unnötig und überholt", lässt Bundespräsidentin Doris Leuthard verlautbaren. Wieso eigentlich?

Text: Tier im Fokus (TIF)

Die vom Schweizer Tierschutz (STS) lancierte Tierschutzanwalt-Initiative ziele am Punkt vorbei, lautet ein Argument der gegnerischen Seite: Tierschutzanwälte können Tierquälereien ohnehin nicht verhindern, da sie erst nach der Tat zum Zuge kommen. Deshalb „nützen sie den Tieren nichts“, schreibt das Komitee „Nein zur nutzlosen Tierschutzanwalt-Initiative“. Man will keine neuen „Stallvögte“, bloss das nicht.

Statt auf Anwälte solle man vermehrt auf Prävention, also auf Ausbildung und Aufklärung der Tierhalter setzen, meint auch Bundespräsidentin Doris Leuthard. Als ob auch die beste Prävention eine konsequente Strafverfolgung ersetzen könnte! Und nur darum geht es in dieser Initiative: Wer geltendes Tierschutzgesetz verletzt, soll zur Rechenschaft gezogen werden. In jedem Fall dürfen die Vergehen nicht mangels Zeit, Geldes oder fehlenden Sachverstands ungeahndet bleiben.

Dass Tierquäler in der Schweiz nur selten vor Gericht zitiert werden und es selbst dann häufig in einem Schnellverfahren zu einer Strafverfügung mit kleiner Busse kommt, ist belegt: 200 Franken für das Totknüppeln eines Hundes, 150 für das Schächten eines Schafes und überhaupt keine Sanktionen fürs Ersäufen einer Katze im hauseigenen Lavabo – alles Beispiele, die offensichtlich gegen das oberste Prinzip eines der „schärfsten Tierschutzgesetze“ der Welt verstossen: Niemand darf einem Tier ungerechtfertigt Leiden zufügen!

Im Grunde ist es bemerkenswert, dass die Institution des Tierschutzanwalts nach Inkrafttreten des neuen Tierschutzgesetzes im September 2008 nicht bereits fest verankert ist. Neu an diesem Gesetz ist nämlich nebst anderem der Zusatz in Art. 4 Abs. 2 TSchG, demzufolge niemand die Würde des Tiers missachten darf. Eine Verletzung der Tierwürde gilt gemäss Art. 26 TSchG als Tierquälerei. Unter „Würde“ wird in Art. 3 TSchG der „Eigenwert“ von Tieren verstanden, den es zu respektieren gilt, was u.a. ausschliesst, dass Tiere „übermässig instrumentalisiert“ werden dürfen.

So unbestimmt diese Rechtsbegriffe auch sein mögen: Mit dem Schutz der Tierwürde wird im Schweizerischen Tierschutzgesetz aufs Neue beteuert, dass Menschen gegenüber Tieren direkte Pflichten haben. Und dass eine Verletzung dieser Pflichten mitnichten eine Bagatelle ist. Schon deshalb steht eine effiziente und effektive Verfolgung von Tierschutzdelikten ausser Frage.

Falls Tierschutzanwälte dazu beitragen können, dass dies besser gelingt als bis anhin (und die verfügbaren Daten scheinen das zu bestätigen), ist der Initiative zuzustimmen – vorausgesetzt, man stellt sich hinter die Grundsätze unseres Tierschutzgesetzes.

Hingegen sollte man nicht glauben oder nur schon darauf hoffen, dass sich Tierschutzanwälte für die „Rechte der Tiere“ einsetzen werden, wie hier und dort plakativ zu lesen war. Der Grund ist denkbar einfach: Auch in der Schweiz haben Tiere keine Rechte!

Zwar wird man nicht müde zu betonen, dass Tiere seit März 2003 keine Sachen mehr sind. Tatsache bleibt, dass sie nach wie vor den geltenden Normen des beweglichen Eigentums unterliegen (Art. 713ff. ZGB). Tiere gehören nicht sich selbst, sie gehören uns, sie sind unser Eigentum. Und als Eigentum unterstehen sie der alleinigen Herrschaft ihres Eigentümers, der in den Schranken der Gesetzgebung frei über sie verfügen darf.

In diesem Sinne sind denn auch Tierschutzgesetze zu verstehen: Ihre Aufgabe ist es, den Umgang des Eigentümers mit seinem Eigentum, den Tieren, zu regeln. Und weil unser Tierschutzgesetz den Tieren keine Rechte einräumt, werden auch Tierschutzanwälte letztlich vor allem für uns Menschen da sein: Sie sollen Missbräuche unseres unhinterfragten „Rechts am Eigentum Tier“ ahnden.

Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

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