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Nutztierhaltung

Bell und die Sache mit der Transparenz

Als unlängst im Netz ein manipulierter Werbespot der Bell AG mit Tierquälereien auftauchte, setzte sich die Nummer 1 der Schweizer Fleischbranche zur Wehr. Und klagte darüber, dass die offene Haltung der Firma missbraucht werde. Doch wie transparent ist Bell wirklich, wenn man es genauer wissen will? Ein Artikel von Klaus Petrus (tif).

Text: Tier im Fokus (TIF)

Bell mal so, mal anders

Die Nummer 1 der Schweizer Fleischbranche mag es nicht, wenn man in ihre heile Welt pfuscht. Als Internet-AktivistInnen vor einigen Monaten Schlachtszenen und andere Tierquälereien in einen Werbespot der Bell AG eingeflickt hatten, setzte sich das Unternehmen zur Wehr. Mit Erfolg: Wenig später wurde das Video von der Plattform YouTube entfernt und bis auf weiteres gesperrt. Ganz aus dem Netz verschwunden ist der Spot damit aber nicht, in Sozialen Medien wie Facebook kursiert „Bell mal anders“ auch weiterhin.

=> Video: http://streaming.interlake.net/players/interlake3/player.swf

Dieses Video verletze geltendes Recht, begründete die Bell AG ihr Einschreiten. Wer die Produkte einer Firma durch „unrichtige, irreführende oder verletzende Äusserungen herabsetzt“, verstosse gegen das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Und das sei hier nachweislich der Fall, so Davide Elia, Mediensprecher der Bell AG. Seiner Ansicht nach stecken hinter dieser Aktion Leute, die „generell gegen den Fleischkonsum sind“, er nennt z.B. den Verein gegen Tierfabriken (VgT). Eine Unterstellung, die Erwin Kessler, Präsident des VgT, aber von sich weist. Der VgT habe die Veröffentlichung des Videos übernommen, „das sei alles“.

Keine Filme aus Bells Schlachthäusern – oder doch?

Auch auf Facebook meldete sich Bell zu Wort. Es sei nicht in Ordnung, dass „unsere offene Haltung“ gegenüber den KonsumentInnen auf diese Weise „missbraucht“ werde, heisst es dort. Auch lege das Unternehmen „grossen Wert auf tiergerechte Haltung“.

Was nicht leicht zu überprüfen ist, wie wir feststellen mussten. Zwar bietet die Bell AG auf ihrer Website den Medien umfangreiches Bildmaterial aus ihren Betriebsstätten an. Zu sehen sind da aber vor allem Würste, Poulets, Transporter und Firmenlogos. Wo überhaupt Tiere vorkommen, herrscht die für die Branche typische, sonnendurchflutete Idylle. Oder sie sind aus Pappe, tragen Schweizer Trachten und beginnen per Mausklick zu jodeln.

Dass die Bell AG auf Transparenz setzt, gehört zum Leitbild der Firma mit einem jährlichen Umsatz von fast 2.6 Milliarden Schweizer Franken. Wir nehmen diese Selbsteinschätzung ernst. Und möchten von Bell wissen, ob es öffentlich zugängliches Filmmaterial aus den eigenen Schlachthäusern gibt. Darauf erhalten wir zunächst keine Antwort. Dann heisst es plötzlich, es gebe solches Filmmaterial, doch liege das Urheberrecht beim Schweizer Fernsehen.

Zutritt unerwünscht – oder doch nicht?

Auch sei eine Besichtigung der Schlachterei grundsätzlich nicht vorgesehen, teilt uns ein Bell-Vertreter mit. Man wolle in unserem Fall aber prüfen, ob eine Ausnahme möglich sei. Als wir erneut nachfragen, heisst es, die Bell AG habe sich dagegen entschieden. Man werde bereits Journalisten einen Einblick gewähren, die „nicht nur rechtlich und organisatorisch, sondern auch von der Grundeinstellung“ her unvoreingenommen sind, so Mediensprecher Elia.

Später erfahren wir, dass einer dieser „unabhängigen“ Journalisten zur Mediengruppe BioSuisse gehört und also selbst aus der Branche stammt. Für Bell ist das offenbar kein Problem: „Für diese Journalisten werden beim Besuch dieselben Richtlinien gelten wie für alle anderen Besucher auch“, sagt Elia.

Aber welche BesucherInnen? „Aus Gründen der Lebensmittelsicherheit können wir keinen Zutritt zu unseren Produktionsräumlichkeiten gewähren“, heisst es auf Bells Website. Das musste auch eine besorgte Konsumentin einsehen, die sich bei uns meldete. Auch sie hatte das zensurierte Video gesehen und wollte es genauer wissen. Als sie Bell kontaktiert, wird ihr postwendend mitgeteilt, eine Schlachthofbesichtigung sei nicht möglich.

„Wir unterliegen sehr strengen Vorschriften und machen daher keine Kompromisse“, rechtfertigt sich Elia. Also gar keine Besuche in Bells Betrieben? Immerhin finden wir auf dem Netz Aufnahmen von ganzen Firmenausflügen in die Bell AG. Keine Kompromisse bedeutet offenbar nicht: keine Ausnahmen. Welche Auflagen für solche Besichtigungen gelten, möchte man uns zuerst nicht verraten: „Die Richtlinien können wir Ihnen nicht zusenden, da sie nur für die Besucher relevant sind“, heisst es bündig. Später besinnt sich der Bell-Mediensprecher doch noch um und wir erfahren, dass dazu auch ein „generelles Verbot von Film- und Tonaufnahmen“ gehört.

Besonders transparent ist diese Kommunikationsstrategie nicht. Wir wenden uns an Coop, mit rund 66 Prozent immerhin die Mehrheitsaktionärin der Bell AG. Aber dort möchte man sich lieber nicht zu diesem Fall äussern: „Es ist nicht an uns, die Kommunikation von Bell zu kommentieren“, sagt Urs Meier, Mediensprecher von Coop.

Bell hat nichts zu verbergen – oder etwa doch?

„Unsere Fähigkeit und Bereitschaft, auf andere zuzugehen, die Transparenz unseres Handels wie auch die Aufgeschlossenheit unseres Denkens“ – das sei es, was den grössten Schlachter der Schweiz auszeichnet, sagt die Bell AG über sich selbst.

In der Tat: Transparenz schützt vor Spekulationen, das ist ein alter Hut. Dass Bell mit Informationen haushälterisch umgeht, weil sie etwas zu verbergen hat, gehört in die Rubrik solcher Spekulationen. Denn bewiesen ist das nicht. Aus Sicht des Unternehmens sind Unterstellungen dieser Art natürlich haltlos und inakzeptabel. Dabei könnten sie bequem aus der Welt geschafft werden. Zum Beispiel mit Fakten, die offen gelegt und nicht als Betriebsgeheimnisse gehütet werden.

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2 Kommentare

Barozzi Daniela
vor 9 Jahre

Hallo zusammen

Habe gestern eine Bell AG Pouletmastanlage gefunden. Davon sollte man Fotos machen und dem Kassensturz zukommen lassen. Hüner mit abgesägten Schnäbeln und haufenweise kahle Stellen. Die Tiere sahen wirklich elend aus!! Gibt es eine Gruppe oder so?? Wir sollten wirklich etwas unternehmen und der Öffentlichkeit Bilder präsentieren. Bitte schreibt auf fpuarrjvggpura02@tznvy.pbz. Vielen Dank!

Mirä
vor 11 Jahre

Habe auch bei Bell angefragt, ob ich bei Ihnen filmen darf…da hat der Elia mir doch tatsächlich geantwortet, dass sie aus ethischen Gründen nicht erlauben könnten, dass ich filmen komme…. als ich darauf geantwortet habe, was den das Wort Ethik bei einem Schlachtbetrieb zu suchen hätte sagte er:

Erlauben Sie mir eine persönliche Bemerkung: Der Tod eines Tieres ist alles andere als witzig. Wir empfangen regelmässig Medienvertreter, Vertreter von Tierschutzorganisationen und andere direkt oder indirekt involvierte Personen, damit sie sich vor Ort ein Bild machen können. Alle respektieren unsere Vorgaben, weil es ihnen um die Sache geht und nicht um Bilder. Auch wenn wir die Nutztiere schlachten, so behandeln wir sie trotzdem mit viel Respekt. Wir wahren ihre Würde und möchten nicht, das ihre Schlachtung für fremde Zwecke missbraucht wird.

Sie studieren Multimedia Production, was so wie ich es verstehe keinen Zusammenhang mit Landwirtschaft, Ernährung oder Tierschutz hat. Wir erwarten nicht, dass Sie unsere Meinung teilen. Für uns ist die Würde des Tieres wichtiger.

ACH WIRKLICH??

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