Die Werbung macht’s!
Tiere dienen dem Menschen als Nahrungsquelle, als Forschungsinstrument oder als Unterhaltungsobjekt. Dies ist der Ist-Zustand, über den in der Tierschutz- und der Tierrechtsbewegung debattiert wird. Was sind aber die Ursachen der heutigen Tierausbeutung? Einige Gedanken von tif-Mitglied Tobias Sennhauser.
Archiv
Dies ist ein Beitrag von unserer alten Website. Es ist möglich, dass Bilder und Texte nicht korrekt angezeigt werden.
Darüber gehen die Ansichten weit auseinander: Gary Francione ist der Meinung, dass die Nahrungsmittelindustrie Fleisch, Milch und Eier deshalb herstellt, weil ein Bedarf besteht. Die Konsumierenden möchten tierliche Produkte, also befriedigt der Markt dieses Bedürfnis. Das Problem ist also nicht das Angebot, sondern die Nachfrage. Folglich schlägt Francione vegane Informationsarbeit (vegan education) vor, die die Nachfrage verändert und damit (schlussendlich) zur Befreiung der Tiere führen soll.
Andere ExponentInnen der modernen Tierrechtsdebatte wie etwa David Nibert betrachten das Tier, insbesondere das Nutztier, als ökonomische Grösse. Ein Tier hat daher vor allem einen Zweck: Profit. Tiere werden also deswegen ausgebeutet, weil es rentiert. Anders als bei Francione wird damit der Fokus auf die Produktion gelegt.
Ein Bauernhof ist ein Unternehmen, das wie alle Unternehmen schwarze Zahlen schreiben muss. Dazu müssen die Produktion maximiert und die Kosten minimiert werden. Um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben, hat sich das Unternehmen Bauernhof auf eine bestimmte Produktion zu spezialisieren – seien es Geflügel, Mastschweine oder Milchkühe.
Aus dieser Spezialisierung folgt eine wirtschaftliche Konsequenz: Das Unternehmen Bauernhof will das produzieren, worauf es sich spezialisiert hat, weil es dort am einfachsten Profit generieren kann. Ein Bauernhof, der heute Geflügel produziert, kann morgen nicht plötzlich vom Sojaanbau leben. Ein Unternehmen besitzt ein grosses Interesse daran, seine Spezialität weiterhin anbieten zu können.
Es sind also nicht nur Angebot und Nachfrage, die den Markt regulieren. Vielmehr versuchen die spezialisierten Unternehmen die Nachfrage für ihre Produkte aufrechtzuerhalten, weil sie das produzieren wollen, was sie am besten können. Eine Nachfrage künstlich zu erzeugen geschieht auf sehr einfache Weise: via Werbung.
In der Schweiz gibt es mit der Milchlobby dafür ein Paradebeispiel. Mit Hilfe der Computer-Kuh Lovely wird besonders im Bereich Sport regelmässig für Gesundheit, Kraft und Ausdauer geworben und die Milch als „natürliches Fitnessprogramm“ und „Doping der Natur“ gepriesen. Nebenbei wird auch das Bild der landwirtschaftlichen Idylle erhalten.
Dass Milch keineswegs so gesund ist, wie von der Werbung gepriesen, ist längst erwiesen. Ebenso trübt die systemimmanente Gewalt der Milchindustrie (Kuh-Kalb-Trennung, folgenschwere Auswirkungen der Zucht, ökologische Probleme) das Bild der bäuerlichen Idylle. Und dass Lovely wenig mit der Realität zu tun hat, erkennt man schon am Vorhandensein ihrer (computersimulierten) Hörner.
Aller Kritik zum Trotz: Die Vereinigung der Schweizerischen Milchindustrie (VMI) hat 2009 einen Gesamtumsatz von CHF 3.224.000.000 (3,2 Milliarden) erwirtschaftet und knapp 500.000 Tonnen Milch produziert. Der Konsum von Milch und Milchprodukten betrug im selben Jahr in der Schweiz 374 kg/Kopf, also mehr als ein Kilogramm pro Kopf und Tag.
Am Beispiel der Milchlobby wird deutlich, wie der Konsum mittels gezielter Werbung (z.B. im Bereich Sport) gefördert werden kann. Obwohl der Konsum von Milchprodukten aus moralischen, gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten abzulehnen wäre und es längst auch in grossen Warenhäusern schmackhafte Alternativen gibt, wird von der Milchindustrie weiterhin das Gegenteil propagiert: „Trinkt Milch“ (und gebt uns euer Geld)!
© 2010 Tobias Sennhauser
Tobias Sennhauser ist Aktiv-Mitglied von tier-im-fokus.ch (tif) und studiert gegenwärtig an der Universität Fribourg Philosophie.
Weitere tif-Texte zum Thema
- Bio-Milch von Bio-Kuh, oder: Was die Werbung nicht alles verbirgt, von Klaus Petrus // 09.01.2010
- Hauptsache Hühner-Idylle, von Klaus Petrus // 02.05.2010
- Über kulturelle Widersprüche im Umgang mit Tieren, von Martina Späni // 26.11.2010
- Die Hörner des Odysseus, von Klaus Petrus // 20.09.2010
Noch keine Kommentare