Der Verein "Neustart Schweiz" will basierend auf gemeinsam verfügbarer Ressourcen die Selbstversorgung nachhaltig steigern. Der Autor und Utopist Hans Widmer hat dazu klare Vorstellungen. Tobias Sennhauser von tier-im-fokus.ch (TIF) hat mit ihm gesprochen.
Text: Tier im Fokus (TIF)
Archiv
Dies ist ein Beitrag von unserer alten Website. Es ist möglich, dass Bilder und Texte nicht korrekt angezeigt werden.
Der Verein „Neustart Schweiz“ will die Lebensqualität aller verbessern. Dazu will er Eigenversorgung und Souveränität steigern, zum Beispiel durch die Förderung von regionaler Vertragslandwirtschaft. Tobias Sennhauser von tier-im-fokus.ch (TIF) hat mit Autor und Vorstandsmitglied Hans Widmer gesprochen.
TOBIAS SENNHAUSER: Herr Widmer, sagen Sie uns, wem gehört die Welt? HANS WIDMER: Wenn man unter Besitz „Verfügungsgewalt“ versteht, dann gehört sie niemandem, denn es befindet sich ja niemand ausserhalb von ihr, der Anspruch auf sie erheben könnte. Viele Kulturen kennen überdies gar keinen Eigentumsbegriff, vor allem keinen an Land. Dass einem persönliche Gegenstände exklusiv gehören können, dass sie also tabu sind für andere, ist hingegen ganz normal. Wenn es um Produktionsmittel geht, die von vielen gemeinsam genutzt werden, dann wird individuelles Eigentum zu einem Problem.
Wieso? Was wir brauchen, ist Zugang zu Land und Zugang zu Wissen. Den Gesetzmässigkeiten des privaten Profits können wir nicht vertrauen. Märkte stellen keine Gleichheit her, sondern bilden nur die Mächte und Kräfte ab, die sie benützen. Land und Wissen sollten vielmehr gemeinsam und gemäss den Bedürfnissen von allen genutzt werden.
Ich nehme an, Sie denken an Commons. Genau. Commons sind Ressourcen, die gemeinsam genutzt werden. Es gibt materielle Commons wie Land, Rohstoffe, Maschinen oder Arbeitskraft, und immaterielle wie Wissen, Kultur, soziale Regeln und Vertrauen.
Was sind deren Voraussetzungen? Allgemein lässt sich sagen, dass gemeinsame Nutzungen ohne lebendige Nutzungsgemeinschaften zur Tragödie führen. Zugang und Verwaltung von Commons setzen demokratische, partizipative und egalitäre Strukturen voraus, die je nach dem Umfang der zu nutzenden Ressourcen abgestuft oder ineinander verschachtelt sind. Ohne Gemeinschaften, die im Alltag verwurzelt und demokratisch organisiert sind, gibt es keine Commons, weil dann keine Grundmacht besteht, sie zu erhalten.
Nehmen wir zur Veranschaulichung ein alltägliches Beispiel: die Ernährung. Wie muss man sich die Landwirtschaft unter Berücksichtigung der Commons vorstellen? Die Ernährung ist Grundlage aller andern Commons. Wie der neuste UNO-Bericht es fordert, kann man die Ernährung nicht den BäuerInnen überlassen, sondern sie muss von Produzenten/Konsumenten gemeinsam getragen werden. Wir schlagen daher als ersten landwirtschaftlichen Kreis auch den ersten Lebenserhaltungskreis vor.
Was meinen Sie damit? Ich meine städtische Nachbarschaften von um die 500 Personen, die sich mit Direktbelieferung durch assoziierte BäuerInnen der Region zu einem grossen Teil ernähren. Das braucht eine Landfläche von 50 bis 100 ha, je nach Ernährungsweise.
Das mag im Kleinen funktionieren. Bis zum Jahr 2050 rechnet die Welternährungsorganisation (FAO) mit einer Bevölkerung von 9 Milliarden Menschen. Der Bedarf an Lebensmitteln werde sich in dieser Zeit verdoppeln. Kann eine solche Landwirtschaft die Welt ernähren? Wenn wir bedenken, dass heute 50% der Lebensmittel weggeworfen und 35% als Tierfutter verwendet werden, dann gibt es keinen Grund zu Befürchtungen. Eine regionale Versorgung muss nicht bedeuten, dass 100% der Lebensmittel zum Beispiel aus der Schweiz stammen, denn die Schweiz ist keine tragfähige ökologische Einheit (das sollten sich die Ecopöppler einmal merken [Der Verein Ecopop wollte mit einer Volksinitiative die Zuwanderung in die Schweiz aus ökologischen Motiven begrenzen, A.d.R.]). Importe/Exporte auf fairer Basis sind immer erwünscht.
Sie sagen, es gebe keinen Grund zu Befürchtungen. Wie können wir denn konkret die Lebensmittelverschwendung eindämmen? Dazu muss ein direkter Bezug aller KonsumentInnen hergestellt werden – sei es über Arbeitseinsätze, Mitarbeit bei der Lagerung/Verarbeitung oder in anderen Funktionen. Die Karotten, die ich selbst gejätet habe, werfe ich nicht fort. Eine Reduktion des Fleischkonsums auf vielleicht einen Drittel des heutigen würde ebenfalls viel helfen.
Braucht es auch eine Verhaltensänderung jenseits der Ernährung? Menschen kooperieren, wenn man sie lässt – das zeigt die neuste Forschung. Das heisst, wir müssen nicht uns ändern, sondern die Beziehungen zwischen uns und der Natur auf eine andere Basis stellen. Teilen statt Tauschen ist dabei ein wichtiges Prinzip, ebenso das alte, genossenschaftliche: jeder trägt bei, was er kann, jede bekommt, was sie braucht. Damit das funktioniert, braucht es Strukturen und Regeln.
Welche Projekte existieren heute, die strukturelle Änderungen auf Basis der Commons vorantreiben? Viele Wohngenossenschaften entdecken heute, dass es um „mehr als wohnen“ geht. Gemüsekooperativen wie der Jardin de la Cocagne in Genf oder ortoloco in Zürich basieren auf diesen Prinzipien. Es wird nicht verkauft, sondern verteilt. Die Genossenschaften Nena1 in Zürich und Lena in Basel streben den Aufbau von Modell-Commons-Nachbarschaften an.
Auch die Verteidigung des Service public ist ein Beitrag zur Stärkung der Commons.
Der Zürcher Pensionär Hans Widmer prägt die lokale Wohnbaudebatte seit den 80er-Jahren mit. Unter dem Pseudonym P. M. (die häufigsten Initialen im Telefonbuch) verfasste er über 20 Bücher, darunter 1983 die vielgelesene Gesellschaftsutopie „bolo’bolo“. Jetzt arbeitet Hans Widmer im Vorstand von Neustart Schweiz.
Die Universitäten Bern und Basel stellen ihre Mensen auf 100 % pflanzliche Ernährung um – ein wegweisender Erfolg der Initiative «Plant-Based Universities». Koordinatorin Chantal Senn erklärt im Gespräch, weshalb Hochschulen der ideale Ort sind, um nachhaltige Veränderungen anzustossen.
Ein verbreitetes Vorurteil stempelt Tiere als passiv oder instinktgesteuert ab. Dabei schmieden sie mitunter ausgeklügelte Pläne zur eigenen Befreiung. Ein Gespräch über tierlichen Widerstand mit der Autorin Sarat Colling.
Swissmilk darf, was sonst unvorstellbar wäre: an Schulen werben. Ein politischer Vorstoss will nun Swissmilk aus den Berner Schulen verbannen. Ein Interview von Tobias Sennhauser (TIF) mit Stadträtin Eva Gammenthaler (Alternative Linke).
Das deutsche Tierbefreiungsarchiv dokumentiert die Geschichte der Tierbewegungen. Tobias Sennhauser (TIF) sprach mit dem Historiker und Aktivisten Tom* Zimmermann über die Anfänge der deutschen Tierschutzbewegung sowie die Auswirkungen der zwei Weltkriege auf die Tiere.
Das deutsche Tierbefreiungsarchiv dokumentiert die Geschichte der Tierbewegungen. Tobias Sennhauser (TIF) sprach mit dem Historiker und Aktivisten Tom* Zimmermann über die Entstehung der deutschen Tierrechtsbewegung sowie den Schulterschluss zwischen Ernährung und sozialem Engagement.
Die Tier-Ethikerin und Lebenshof-Betreiberin Hilal Sezgin spricht über ihren neuen Roman «Feuerfieber» und warum sie diesen extra für Veganer*innen geschrieben hat.
Eine Volksinitiative will die Massentierhaltung in der Schweiz eliminieren. Was sich damit für die Tiere ändern würde, darüber sprach Tobias Sennhauser (TIF) mit Katerina Stoykova, Juristin bei der Stiftung für das Tier im Recht (TIR).
Sie stehen mit Schildern vor dem Schlachthaus und erweisen den Tieren ihre letzte Ehre. The Save Movement ist eine globale Bewegung, die sich nun auch in der Schweiz ausbreitet. Dimitri Graf (TIF) hat mit dem Schweizer Koordinator Silvano Lieger gesprochen.
Die Ernährungssouveränität ist eine globale Bewegung der Kleinbauern. Eine Volksinitiative will sie auch in der Schweiz einführen. Tobias Sennhauser (TIF) hat mit Initiantin und Bäuerin Ulrike Minkner gesprochen.
Noch keine Kommentare