Klimakrise – die Landwirtschaft als Teil der Lösung
Tier im Fokus (TIF) reagiert auf den offenen Brief des Berner Bauernverbands: Anstatt Probleme kleinzureden, sollten wir gemeinsam handeln. Mehr pflanzliche Ernährung ist ein entscheidender Beitrag zur Lösung von Klimakrise und Biodiversitätsverlust.
Nach unserem Vorstoss zur Förderung der pflanzlichen Ernährung in städtischen Betrieben der Stadt Bern verfasste der Berner Bauernverband einen offenen Brief. Darin betont er die Bedeutung der Nutztierhaltung für den Kanton Bern und relativiert deren ökologische Auswirkungen.
Wir begrüssen diese Debatte ausdrücklich. Denn gerade weil die Landwirtschaft von der Klimakrise stark betroffen ist, trägt sie – zusammen mit der Bevölkerung – eine entscheidende Verantwortung: Sie kann und muss ein zentraler Teil der Lösung sein. Eine vermehrt pflanzenbasierte Ernährung bietet eine enorme Chance für die Schweizer Landwirtschaft.
Die Klimakrise trifft die Schweizer Landwirtschaft
Extremwetterereignisse wie Frost, Hitze und Überschwemmungen bedrohen unsere Landwirtschaft zunehmend. Allein 2021 verlor das Wallis durch Frost rund 70 Prozent der Aprikosenernte. Im Sommer 2022 verursachten Hitze, Trockenheit und lokale Wasserknappheit erhebliche Ertragsverluste in der ganzen Schweiz. 2023 sank die gesamte Gemüseernte aufgrund eines extrem nassen Frühlings, gefolgt von einem trockenen, heissen Sommer.
Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft mit rund 16 Prozent wesentlich zu den nationalen Treibhausgasemissionen bei. Über 80 Prozent der Schweizer Methanemissionen stammen direkt aus der Tierhaltung, insbesondere von Rindern. Zudem verursacht die Landwirtschaft 57 Prozent der Lachgas- und 94 Prozent der Ammoniakemissionen. Dies verschärft nicht nur die Klimakrise, sondern führt auch zu massiver Überdüngung unserer Böden und bedroht die biologische Vielfalt dramatisch. Heute sind in der Schweiz bereits ein Drittel aller Arten und die Hälfte aller Lebensräume gefährdet – damit gehört die Schweiz im europäischen Vergleich zum traurigen Schlusslicht.
Diese Entwicklungen machen deutlich: Die Landwirtschaft ist nicht nur Leidtragende der Klimakrise, sie ist auch Mitverursacherin. Gerade deshalb liegt in einem Wandel hin zu pflanzlicher Ernährung eine doppelte Chance für den Klimaschutz und für die Zukunft der Bäuer:innen.
Futtermittelimporte bedrohen die Souveränität der Schweiz
Der Bauernverband argumentiert, Wiederkäuer seien unverzichtbar für die Graslandnutzung. Doch in der Realität beruht unsere Tierproduktion auf erheblichen Kraftfutterimporten. Vor allem Schweine und Hühner, aber auch Hochleistungskühe wie die (an der BEA gezeigten) Holstein-Rassen benötigen grosse Mengen importierter Futtermittel, um wirtschaftlich rentabel zu sein.
Diese Futtermittelimporte verursachen massive Stickstoffüberschüsse, welche sensible Ökosysteme schwer schädigen: 95 % der Wälder, alle Hochmoore und die meisten Trockenwiesen der Schweiz sind überdüngt. Die Agrarallianz – darunter IP Suisse, Mutterkuh Schweiz und Bio Suisse – fordert deshalb eine Reduktion der Futtermittelimporte sowie des Konsums tierischer Produkte. Eine vermehrt pflanzliche Ernährung könnte die Emissionen von Ammoniak um bis zu 50 Prozent und jene von Nitrat um 35 Prozent senken.
Eine Chance für die Schweizer Landwirtschaft
Die pflanzenbasierte Ernährung bietet der Schweizer Landwirtschaft neue Absatzmärkte und stärkt die regionale Wertschöpfung, wie innovative Berner Start-ups (z.B. New Roots, Outlawz, Wildfoods) bereits heute zeigen.
Dafür braucht es jedoch flankierende politische Massnahmen: Aktuell fördern über 80 Prozent der Agrarsubventionen noch immer die Tierproduktion. Hier ist dringend eine Umverteilung nötig – hin zu nachhaltigem Pflanzenbau und weg von der staatlichen Förderung tierischer Produkte.
Transfarmation: Der Wandel hat bereits begonnen
Die Bewegung «Transfarmation» beweist, dass Landwirtschaft auch ohne Tierproduktion erfolgreich funktioniert. Die Kreislaufwirtschaft bleibt dabei erhalten: Bäuer:innen, die einen Lebenshof betreiben, nutzen weiterhin tierlichen Dünger. Andere setzen auf pflanzlichen Dünger, beispielsweise aus regionalem Grasschnitt – eine ökologische und ressourcenschonende Alternative.
Tier im Fokus (TIF) hat zahlreiche Höfe besucht, die auf eine rein pflanzliche Produktion umgestellt haben. Diese Beispiele zeigen eindrücklich, wie nachhaltig, vielfältig und zukunftsfähig Schweizer Landwirtschaft sein kann (siehe www.veganer-bauernhof.ch).
Um die Schweizer Klimaziele zu erreichen, braucht es eine klar pflanzenbasierte Ausrichtung der Landwirtschaft. Wir stehen für einen konstruktiven Dialog mit allen Bäuer:innen offen, die gemeinsam mit uns diesen Weg gestalten wollen.
Für Mensch, Tier und Umwelt
Tier im Fokus (TIF)