Doch kein Tierquäler – TIF-Präsident wird mehrheitlich freigesprochen
Der Präsident der Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF) stand am Mittwoch vor Gericht, weil er Missstände in Schweizer Hühnermastanlagen dokumentierte. Nun wurde er mehrheitlich freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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Tobias Sennhauser, Präsident der Schweizer Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF), stand am Mittwoch vor Gericht, weil er mit der Kamera kranke, verletzte und tote Hühner in Schweizer Betrieben dokumentierte. Statt gegen die Tierhalter ermittelte die Staatsanwaltschaft jedoch gegen ihn. Sie verurteilte ihn per Strafbefehl wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Tierquälerei. Weil Sennhauser Einsprache erhob, kam der Fall vor das Regionalgericht in Burgdorf.
Für besonderes Aufsehen sorgte die Anklage wegen Tierquälerei. Die Staatsanwaltschaft behauptete, er habe beim Filmen die Hühner verängstigt und somit in ihrer Würde verletzt. Die Richterin sah es anders und sprach Sennhauser frei. Sie argumentierte, dass die Hühner von Natur aus schreckhaft seien, weshalb die für eine Tierquälerei nötige Belastung nicht gegeben sei. «Alles andere wäre ein Skandal gewesen», sagt Sennhauser. Unerwartete Unterstützung erhielt der Angeklagte dabei durch einen Kläger. Dieser betonte während der Verhandlung mehrfach, Sennhauser habe «das Herz am rechten Fleck» und sei «kein Tierquäler».
Vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen
Ebenso freigesprochen wurde Sennhauser vom Vorwurf der Sachbeschädigung. Die bäuerliche Klägerschaft versuchte vergeblich, Sennhauser diverse Sachbeschädigungen am Aussengehege ihrer Ställe anzuhängen. «Ich habe mich immer vom Vorwurf der Sachbeschädigung distanziert», so Sennhauser.
Ferner wurde ein weiteres Verfahren gegen Sennhauser wegen angeblichen Aufnahmen in einer Hühnermastanlage eingestellt. Gemäss der Richterin brachte die Staatsanwaltschaft einige Daten durcheinander. «Der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft war in vielen Punkten mangelhaft und ich begrüsse die weitgehende Korrektur durch das Gericht», so Sennhauser.
Nicht zuletzt reduzierte die Richterin das Strafmass deutlich: Statt 50 Tagessätze à 50 CHF bedingt, wie es die Staatsanwaltschaft forderte, begnügte sich die Richterin mit nur 12 Tagessätzen, etwa weil Sennhauser nicht vorbestraft war. Vor allem aber machte die Richterin «achtenswerte Beweggründe» für die Strafmilderung geltend.
Schuldig in Sachen Hausfriedensbruch
Einzig bezüglich des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs wurde Sennhauser verurteilt. Das Gericht verwarf Sennhausers Argumentation, wonach ein übergeordnetes gesellschaftliches Interesse am Tierschutz bestünde und somit seine verdeckten Filmaufnahmen gerechtfertigt seien. «Das ist ein gewichtiger Wermutstropfen am Urteil», sagt Sennhauser. Er ist der Ansicht, dass die Dokumentation von Missständen in Ausnahmefällen legitim sein sollte.
Sennhauser sieht das Urteil trotz der Teilniederlage positiv. «Die Tierhalter haben sich mit ihren Tierquälerei-Anzeigen ins eigene Fleisch geschnitten.» Tier im Fokus (TIF) nutzte den Prozess, um die Missstände in der Schweizer Massentierhaltung zu thematisieren. «Der Prozess wirft trotzdem zahlreiche Fragen auf, worauf wir Antworten wollen», so Sennhauser. Nun warte man gespannt auf die Urteilsbegründung, bevor man weitere Schritte planen würde.
Weitere investigative Kampagnen von Tier im Fokus (TIF)
- Hundequälerei im Emmental (2021)
- Qualzuchten in der Hühnermast (2021)
- Arme Schweine (2020)
- Der grosse Hühner-Schwindel (2019)