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Interview

Wider die Vegephobie!

Im Mai findet die Veggie Pride zum ersten Mal in der Schweiz statt – und verspricht, ein Grossanlass zu werden. Gabrielle Christen von tier-im-fokus.ch (TIF) hat mit Jérôme Dumarty, Co-Organisator der Veggie Pride, gesprochen.

Text: Tier im Fokus (TIF)

GABRIELLE CHRISTEN: Bisher wurde die Veggie Pride in Frankreich durchgeführt. Jetzt findet sie erstmals in der Schweiz statt. Worum geht es? JÉRÔME DUMARTY: Die Veggie Pride ist eine Kundgebung von VegetarierInnen, das heisst: von Menschen, die aus ethischen Gründen auf den Konsum tierlicher Produkte verzichten. Also für die Tiere. Doch haben viele VegetarierInnen und VeganerInnen – nennen wir sie einfach „Veg*erInnen“ – nicht den Mut, sich öffentlich dazu zu bekennen, dass sie wegen dem Tierleid auf Fleisch verzichten. Oft geben sie andere Gründe für ihren Veg*ismus an oder sie versuchen gar, ihn ganz zu verstecken. Die Veggie Pride will diesen Veg*erInnen bei ihrem ‚Coming-out‘ helfen. Und sie möchte diese Vegephobie kritisieren, deren Opfer diese Menschen sind. Wer steht eigentlich hinter der Veggie Pride, wer organisiert den Anlass? Das sind in aller Regel antispeziesistische AktivistInnen, wobei jedes Jahr eine neue Gruppe gegründet wird. Und wieso findet dieses Mal die Veggie Pride in Genf statt? Seit 2001 findet die Veggie Pride, wie du schon gesagt hast, in Frankreich statt, so etwa in Paris, Marseille oder Lyon. Daneben gibt es seit 2008 auch in Italien eine Veggie Pride. Dieses Jahr kümmern sich die AktivistInnen der beiden Gruppen Genevanimaliste und Lausanimaliste um die Organisation, und das ist auch der Grund, weshalb sie in Genf stattfindet. Angesichts der Präsenz internationaler Institutionen auf dem Platz Genf und der Tatsache, dass dieses Jahr keine andere Veggie Pride organisiert wird, haben wir entschieden, den ganzen Anlass international auszurichten. Mir scheint, es geht bei diesem Anlass um Tierausbeutung in einem recht umfassenden Stil. Wieso heisst die Veggie Pride dann eigentlich nicht „Vegan Pride“? Anders als gewisse TierrechtsaktivistInnen sind wir der Ansicht, dass der Vegetarismus kein Feind des Veganismus ist, sondern vielmehr eine Vorstufe. Bevor wir vegan wurden, lebten wir vegetarisch. Die meisten Menschen, die sich entscheiden, vegan zu leben, kommen aus dem Kreis der VegetarierInnen. Spielt in diesem Zusammenhang auch die von dir erwähnte und für euch offenbar wichtige Vegephobie eine Rolle? Ja. Wir haben den Eindruck, dass die Vegephobie ein diskriminierendes System ist und Menschen, die sich mit Tieren solidarisch zeigen, dazu bringt, VegetarierInnen zu bleiben – und zwar im Sinne eines Kompromisses zwischen ihren Überzeugungen und ihrem sozialen Umfeld, in dem sie leben. Wie schon gesagt: Die Veggie Pride möchte diese Vegephobie anklagen und damit den VegetarierInnen helfen, besser zu ihren Überzeugungen zu stehen. Was wird deiner Meinung nach das Highlight der Veggie Pride sein? Der Höhepunkt wird wohl die Kundgebung am Samstag, dem 18. Mai sein: Sie wird beim Platz der Nationen von der UNO beginnen, wo dem UN-Sonderberichterstatter zur Religions- und Glaubensfreiheit eine Petition übergeben wird. Der Umzug wird dann die Stadt durchqueren, an verschiedenen Orten durch von AktivistInnen unterschiedlicher Herkunft organisierten Strassenaktionen unterbrochen, um schliesslich beim Parc des Bastions zu enden, wo eine Art „Dorf‘“eingerichtet wird für alle Organisationen, die sich für die Tiere einsetzen. Neben diesem Umzug finden zudem von Donnerstag, 16. Mai, bis Montag, 20. Mai, zahlreiche Vorträge, Abendprogramme und weitere Aktivitäten statt. Welche Hoffnungen verbindest du mit der Veggie Pride? Mein grösster Wunsch ist es, dass die Veggie Pride medial wie auch politisch möglichst viel Wirkung erzielt: Die Vegephobie muss an den Pranger gestellt werden, denn sie behindert den Kampf für die Tiere und verunmöglicht einen sachlichen Dialog. Sie lenkt die Veg*erInnen von den wirklich wichtigen Fragen ab: „Was können wir tun, um einen öffentlichen Diskurs zur Sache der Tiere auszulösen?“ und nicht „Wie überlebe ich als Veg*erInnen in einer speziesistischen Welt?“. Um es zugespitzt zu formulieren: Die Frage sollte sein, wie wir die Gesellschaft verändern und nicht, wo wir vegane Schuhe kaufen können. Aus dem Französischen von Gabrielle Christen. Auch TIF wird mit einem Info-Stand, einer Strassenaktion und Vorträgen an der Veggie Pride sein. Mehr findet sich auf der Website der Veggie Pride.
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4 Kommentare

achim
vor 11 Jahre

nun liegt es an uns zu zeigen, wie wichtig uns das ganze ist. sind wir bereit, dafür auf die strasse zu gehen?! na dann, auf nach genf!!! ohne bewegung kann keine veränderung geschehen. also lasst uns was bewegen!

Lena Kaufmann
vor 11 Jahre

Wenn die Frage lautet, „wie wir die Gesellschaft verändern und nicht, wo wir vegane Schuhe kaufen können“, wäre ein wichtiger Anlass der 1. Mai der revolutionären Linken. Dieses Jahr war auch die Tierbefreiungsbewegung sehr aktiv mit dabei:

https://ch.indymedia.org/media/2013/05//89582.pdf

https://ch.indymedia.org/media/2013/05//89584.pdf

und wichtig zu diesem Thema ist auch der am 14. Juni 2013 bevorstehende Vortrag:

http://www.tierrechtsgruppe-zh.ch/?page_id=1149&event_id=131

Marc Bonanomi
vor 11 Jahre

was ich im vorigen Kommentar geschrieben habe, bedeutet keineswegs, dass ich etwas gegen die Veggie Pride hätte. Ich freue mich sehr, dabei zu sein und mitzumachen.
CHOOSE COMPASSION – GO VEGAN

Marc Bonanomi
vor 11 Jahre

ich erlebe diese Ablehnung durch die Gesellschaft eigentlich nicht massiv. Ich habe deswegen in keiner Beziehung zu Freunden und Verwandten eine andauernde Veränderung gespürt. Es gibt schon immer wieder Auseinandersetzungen, aber auch Zustimmung, wenn ich nicht zu direkt den Speziezismus des Partners als falsch und böse angreife. Was ich eher erlebe, dass mich Menschen, die mir nicht nahe stehen, laut und deutlich angreifen. („Schämet euch! Dänket mau a üsi Bure!). Aber damit kann ich leben.

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