«Universitäten haben eine riesige Hebelwirkung»
Die Universitäten Bern und Basel stellen ihre Mensen auf 100 % pflanzliche Ernährung um – ein wegweisender Erfolg der Initiative «Plant-Based Universities». Koordinatorin Chantal Senn erklärt im Gespräch, weshalb Hochschulen der ideale Ort sind, um nachhaltige Veränderungen anzustossen.
Am 3. und 8. April haben die Studierendenvertretungen der Universitäten Bern und Basel beschlossen, ihre Mensen auf 100 % pflanzliche Ernährung umzustellen – ein doppelter Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit an Schweizer Hochschulen. Hinter diesen Entscheiden steckt die Initiative «Plant-Based Universities» (PBU). Wir haben mit Chantal Senn gesprochen, der nationalen Koordinatorin von PBU Schweiz.
TOBIAS SENNHAUSER: Ihr habt in Bern einen grossen Erfolg erzielt. Wie kam es dazu?
CHANTAL SENN: Wir haben im April 2024 angefangen, indem wir online und offline Leute mobilisierten, Vernetzungstreffen organisierten und eine engagierte Gruppe formten. Zum Semesterstart lancierten wir dann eine Petition, die von vielen Uni-Angehörigen unterstützt wurde. Parallel dazu haben zwei Mitglieder, die auch im Studierendenparlament aktiv sind, gemeinsam mit den Jungen Grünen und dem Sozialdemokratischen Forum eine Motion ausgearbeitet. Ausserdem führten wir viele Gespräche mit relevanten Stakeholdern, etwa der Nachhaltigkeitsbeauftragten der Uni und Vertretungen der Uni-Gastronomie. Das Parlament stimmte dann schliesslich mit 66 Prozent klar für unseren Antrag.
Wie reagierten die Studierenden auf den Entscheid des Studierendenparlaments?
Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich – von extrem unterstützend bis zu völliger Ablehnung. Einige fanden sogar, unser Ziel, in Basel bis 2030 auf pflanzlich umzustellen, sei zu wenig ambitioniert und wir sollten den Schritt schneller umsetzen. Andere wiederum empfanden den Entscheid als bevormundend und meinten, es wäre besser, einfach die Fleischpreise zu erhöhen. Vereinzelt gab es sogar Studierende, die die Klimakrise grundsätzlich anzweifeln, was mich persönlich schockiert hat. Insgesamt spüren wir aber starken Rückhalt und eine breite Unterstützung innerhalb der Studierenden.
Die SVP Stadt Bern polterte, ihr würdet mit der pflanzlichen Uni-Verpflegung in die Privatsphäre der Konsumierenden eingreifen. Wie reagierst du auf diesen Vorwurf?
Natürlich greifen wir nicht in die privaten Entscheidungen der Menschen ein. Es geht hier um das Angebot der Universität als öffentliche Institution. Diese hat eine gesellschaftliche Verantwortung und eine Vorbildrolle, auch beim Thema Nachhaltigkeit. Studierende sind zudem völlig frei, innerhalb und ausserhalb der Uni zu essen, was sie wollen. Lediglich das Angebot wird verändert.
Dennoch findet die Kritik, Ernährung sei reine Privatsache, breiten Anklang. Verstärkt eure Kampagne dieses Narrativ nicht ungewollt?
Es stimmt, dass viele die Ernährung als individuelle Entscheidung sehen. Doch was wir essen, hat ökologische und soziale Auswirkungen, die weit über das Individuelle hinausgehen. Universitäten haben eine riesige Hebelwirkung: Sie verkaufen täglich Tausende Mahlzeiten und können mit kleinen Entscheidungen grosse Veränderungen bewirken. Zudem haben sie eine gesellschaftliche Vorbildfunktion – viele Bewegungen haben ihren Anfang an Hochschulen genommen, und die Unis selbst werben sogar damit, Vorbilder in Sachen Innovation und Nachhaltigkeit zu sein. Genau deshalb fokussieren wir uns auf institutionelle Verantwortung und nicht auf das Verhalten Einzelner.
Ihr setzt in eurer Kommunikation stark auf das Thema Klimakrise. Warum spielt der Tierrechtsgedanke eine weniger prominente Rolle?
Die Realität ist, dass Tierrechte gesellschaftlich kontrovers diskutiert werden. Beim Klimaschutz dagegen haben Hochschulen klare Ziele formuliert. Die wissenschaftlichen Fakten sind anerkannt und unbestritten. Mit diesem Fokus auf Nachhaltigkeit und Klima erreichen wir mehr Menschen. Auch das Wort «vegan» wirkt für einige Menschen abschreckend – «pflanzlich» ist da zugänglicher.
Was sind momentan die grössten Hindernisse auf dem Weg zu rein pflanzlichen Mensen an Schweizer Hochschulen?
Häufig liegt es am Widerstand der Gastronomieverantwortlichen, die Veränderungen skeptisch gegenüberstehen oder schlicht keine Erfahrung mit pflanzlichen Menüs haben. Manchmal fehlt es den Hochschulen auch an konkreten Daten darüber, wie schädlich ihre bisherigen Ernährungspraktiken tatsächlich sind. Institutionen verändern sich generell langsam, und Uni-Leitungen wollen natürlich viele verschiedene Interessen berücksichtigen.
Nebst der Umstellung auf pflanzliche Menüs könnten auch regionale und biologische Produkte einen Beitrag zu den Klimazielen leisten. Allerdings würde dies zu höheren Preisen führen, die sich viele Studierende kaum leisten könnten. Habt ihr euch schon mit diesem Dilemma befasst und eventuell Lösungsansätze diskutiert?
Wir haben festgestellt, dass Bio-, saisonale und regionale Produkte deutlich weniger Einfluss auf die Klimabilanz haben als die generelle Umstellung auf pflanzliche Ernährung. Deshalb liegt unser Fokus klar auf der Umstellung selbst. Laut dem Bryant-Report können durch rein pflanzliche Menüs sogar bis zu 30 % der Kosten eingespart werden.
Welche Aktionsformen nutzt ihr noch neben Motionen im Studiparlament?
Wir sind eine Grassrootsorganisation – unsere Lokalgruppen geniessen grosse Freiheiten und können selbst entscheiden, welche Aktionen sie durchführen möchten. Das reicht von Banner-Aktionen über Petitionen bis hin zur Zusammenarbeit mit Professor:innen, die unsere Forderungen öffentlich unterstützen. Ausserdem veranstalten wir soziale Events wie Filmabende oder Wettbewerbe, etwa mit pflanzlichen Würsten an der ETH Zürich. Das schafft Sichtbarkeit und macht gleichzeitig Spass.
Welche nächsten Schritte plant ihr nun nach eurem Erfolg in Bern und Basel?
Jetzt stehen die konkreten Umsetzungen in den beiden Städten an. Wir werden mit den Hochschulen zusammensitzen und sicherstellen, dass die beschlossenen Ziele konsequent umgesetzt werden. Gleichzeitig wollen wir den Erfolg feiern, denn hinter solchen Abstimmungen steckt enorm viel Arbeit. Mittelfristig möchten wir die Diskussion von den Unis weiter in die Gesellschaft tragen und so einen breiteren Wandel unseres Ernährungssystems anstossen.
Über Plant-Based Universities Schweiz
Plant-Based Universities (PBU) ist eine europäische Kampagne von Studierenden. PBU setzt sich an Hochschulen für die Umstellung auf rein pflanzliche Verpflegung ein, um die Klimakrise aktiv zu bekämpfen und eine nachhaltigere Zukunft zu fördern. In der Schweiz gibt es aktuell sechs aktive Lokalgruppen. Neue Aktive sind herzlich willkommen.
Kontakt:
Chantal Senn, nationale Koordinatorin
✉️ punagny@cynagonfrqhavirefvgvrf.bet
🌐 plantbaseduniversities.org
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