Verantwortung statt Bevormundung
Die Studierenden-Parlamente der Universitäten Bern und Basel fordern rein vegane Menus in ihren Mensen – eine Entscheidung, die prompt Ängste von «Bevormundung» auslöste. Dabei geht es lediglich darum, Verantwortung für Tiere zu übernehmen, deren Interessen bislang ignoriert wurden.
Kürzlich beschlossen die Studierenden-Parlamente der Universitäten Bern und Basel (TIF berichtete), in ihren Mensen rein pflanzliche Menus anzubieten. Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten: «Die SVP-Fraktion erachtet diese Massnahmen als schweren Eingriff in die Privatsphäre», schrieb die Partei in einer Mitteilung und kritisierte die «Bevormundung und Gängelung der Konsumenten».
Dabei ist der Vorwurf der Bevormundung unbegründet: Niemand wird an einer Universität dazu gezwungen, sich vegan zu ernähren. Jede:r kann weiterhin frei entscheiden, was er oder sie isst – sei es durch selbst mitgebrachtes Essen oder indem man auswärts isst. Die Universitäten Bern und Basel sollen lediglich ihr Angebot ändern.
Vegan ist inklusiv
Vegane Mensen nehmen niemandem etwas weg – im Gegenteil: Sie ermöglichen die Teilhabe aller. Pflanzliche Angebote wirken besonders inklusiv, denn sie erleichtern allen Menschen den Zugang zu gesundem, nachhaltigem und für viele überhaupt erst konsumierbarem Essen. Bei pflanzlicher Nahrung können auch Menschen mit Lebensmittel-Unverträglichkeiten wie Laktoseintoleranz bedenkenlos zugreifen. Zudem profitieren Menschen, die religiöse Speiseregeln beachten – etwa jüdische Personen, die Fleisch und Milchprodukte trennen, oder Muslim:innen, die Schweinefleisch meiden.
Darüber hinaus reduzieren vegane Angebote Gesundheitsrisiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO gilt insbesondere verarbeitetes Fleisch als krebserregend und rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend – auch dieses Risiko wird durch pflanzliche Alternativen vermindert. Zudem schützen vegane Menüs unsere Umwelt, den 40 Prozent unseres Ernährungs-Fussabdrucks stammen von Fleisch- und Milchprodukten.
Vegane Politik entpuppt sich damit als ein Ansatz, der Menschen, Tieren und dem Klima gleichermassen zugutekommt und niemanden ausschliesst.
Demokratie erweitern
Eine Demokratie lebt davon, dass alle mitreden können. Bisher hat die Demokratie primär die menschliche Perspektive abgebildet. Dabei sind auch Tiere Teil unserer Gesellschaften und sind direkt betroffen von unseren politischen Entscheidungen.
Unsere Demokratie muss deshalb Verantwortung für alle empfindungsfähigen Wesen übernehmen und deren Interessen ernsthaft berücksichtigen. Wenn wir Tiere nicht länger als stumme Objekte behandeln, sondern als eigenständige Lebewesen mit legitimen politischen Ansprüchen, nähern wir uns einer Multispezies-Demokratie an.
Wenn Universitäten wie Bern und Basel ihre Mensen vegan gestalten, geht es nicht um Vorschriften oder Bevormundung, sondern um demokratische Verantwortung: Sie respektieren die Interessen der Tiere in ihrer Ernährungspolitik und werden so ihrer Vorbildfunktion als öffentliche Institutionen gerecht.
Gesellschaftlicher Fortschritt: vom Tierschutz zur Gerechtigkeit
Historisch betrachtet, entwickelte sich unser moralisches Verständnis stets weiter. Früher galt Demokratie nur für privilegierte Männer, später wurde sie schrittweise auf Frauen, Minderheiten, Kinder und behinderte Menschen ausgeweitet. Unser Verständnis von Gerechtigkeit verändert sich stetig und umfasst heute immer mehr Gruppen, die zuvor übergangen wurden.
Diese Entwicklung gilt auch für Tiere: Hundekämpfe oder Käfighaltung von Legehennen galten einst als normal – heute lehnen wir sie entschieden ab. Immer stärker wird gefordert, dass Tiere politisch berücksichtigt werden müssen. Ein Ausdruck davon ist der Einzug von Tier im Fokus (TIF) als erste Tierrechtsorganisation in ein Schweizer Parlament. So wie sich vor einigen Jahrzehnten die Grünen als neue Kraft etablierten, beginnt heute die politische Vertretung von Tieren.
Demokratie für alle fühlenden Wesen
Die Einführung veganer Mensa-Angebote an den Universitäten Bern und Basel ist keine Bevormundung, sondern Ausdruck gelebter Demokratie und gesellschaftlicher Verantwortung. Demokratie bedeutet heute mehr, als nur Menschen mitreden zu lassen. Sie verlangt auch, die Interessen aller fühlenden Wesen ernst zu nehmen, die von unseren Entscheidungen betroffen sind.
Den Vorwurf der Bevormundung können wir getrost fallen lassen. Vegane Mensen bedeuten keinen Verzicht, sondern sind ein konkreter Schritt zu eine gerechteren Gesellschaft – einer Gesellschaft, die niemanden ausschliesst, weder Menschen noch Tiere.
Politisches Nachspiel im Berner Stadtrat
Im Zuge der Diskussionen an der Uni Bern haben wir im Berner Stadtrat einen Vorstoss eingereicht. Darin wollen wir vom Gemeinderat wissen, wie er die pflanzliche Ernährung in städtischen Kantinen fördern will.
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